Mittwoch, 5. August 2009

Mittwoch, der 5. August 2009

17 TAGE EUROPA
(Charly Davidsons Sommerreise 2002)
Montag / 2002-08-05
Der zwölfte Tag / Hünxe | Arnheim | Apeldoorn | Meppel | Herrenveen | Sneek | Ijsselmeer | Den Helder
EUROPÄISCHES STRANDGUT

Ich ging früh schlafen und werde deswegen auch früh wach. Gelegenheit um als früher Vogel auf Nahrungssuche zu gehen. Holland bzw. „die Niederlande“ hatte man aus dem Schulunterricht noch als recht kleines Land in Erinnerung und wird auch nicht enttäuscht. Kaum den dritten Gang eingelegt und man ist schon durch. Aber das macht den Holländern und Holländerinnen nichts aus. Anders als benachbarte Nationen hatte man hier niemals das Bestreben, Krieg gegen andere zuführen um sein eigenes Land zu vergrößern. Lieber kämpft man mit dem Meer und ringt ihm Quadratmeter um Quadratmeter um Quadratmeter ab; daher kommt also der B&B-Kaffeemilch-Spruch mit dem „dropje voor dropje voor dropje kwaliteit“. I der Tat, beim Kampf mit dem Meer, da kennt man sich hier aus. In den Niederlanden gibt es auch eine Königin und deren Untertanen haben die Chuzpe besessen, diese Königin in einer unbeschreiblichen Portraitversion auf allen niederländischen Euromünzen abzubilden. So ist Holland: tollerant und offen in allen Dingen.

Ich habe mich für eine Route entschieden, die von Arnheim in Richtung Norden führt und am Ende das Ijsselmeer von oben trifft. Interessant finde ich den Riesendeich zwischen Haarlingen und Den Helder mit seinen riesigen Gezeitenschleusen, voll befahrbar als vierspurige Straße mit einigen Parkplätzen, um entweder das Meer oder die Binnensee zu betrachten. Obwohl es so etwas auch bestimmt in Holland gibt, habe ich bislang keine Eisenbahn entdeckt. Die einzigen Übergänge der Straßen waren für Schiffe und Boote vorgesehen und entweder klappte die Straße dann in die Höhe oder sie wurde so gedreht, dass die Schiffe bequem daran vorbeifahren konnten. Interessant ist, daß das ganze Prozedere auch nicht länger, als wenn ein Zug die Straße gekreuzt hätte.

Und dann sehe ich das Meer wieder. Am Mittelmeer hatte ich mich von ihm verabschiedet und nun ist es wieder da. „Hallo Meer“, sage ich zu ihm und mache einen kurzen Stopp, bevor ich über den Damm zischen der Nordsee und dem Ijselmeer befahre. Viele Holländer stehen ebenfalls auf dem Rastplatz, haben Stühle und Tische aufgeklappt, als wollten auch sie dem Meer huldigen. Nur ein augenscheinlich gut situiertes Ehepaar mit großem Mercedes und noch größerem Wohnwagen - das Kennzeichen verrät, das es Deutsche sind - stört die Ruhe etwas. Die Frau macht Fahrversuche mit dem langen Vehikel, der Mann gibt Anweisungen. Sie fährt immer und immer wieder im Kreis, manchmal vorwärts, dann wieder rückwärts. Es geht hin und her und her und hin. Der Wohnwagen ist wirklich lang. Einige Holländer haben schon rote Bäckchen. Ob es vom Neid wegen der Länge des Wohnwagens kommt oder vom Mitleid, in diesem Fall ebenfalls wegen der Länge, kann man nicht so genau sagen. Und was mache ich? Ich mache ein Foto von mir neben meinem „Hotel Stern“.

Das Wetter ist herrlich heute. Drei Mal öffnet sich die Brücke, lässt Schiffe in das Ijselmeer hinein und andere hinaus. Ein beeindruckendes Schauspiel. Da interessiert es die Menschen wirklich nur am Rande, weshalb ein deutsches Ehepaar in Holland solcherart Fahrversuche unternehmen. Wahrscheinlich, denke ich mir, war es zuhause nicht möglich, ohne daß das gesamte Wohngebiet zugeschaut hätte. Hier jedenfalls, in der „Heimat der Wohnwagen“, ist man mit dieser Nummer nur eine Randerscheinung.

Über dem Damm fahre ich weiter nach Den Helder, der Sommerfrische Amsterdams. Leichter Regen setzt ein und ist auch schon wieder verschwunden. Auf dem Parkplatz vor den Stranddünen fällt mir ein weiteres ein deutsches Ehepaar auf. Besser ausgedrückt: Eine deutsche Familie mit ihrem VW Sharan aus Limburg an der Lahn. Zwei Kinder hat das Ehepaar: einen kleinen Sohn und eine große Tochter. Es hatte, wie gesagt, kurz zuvor geregnet und das trieb die Vier zur Eile. Zur Belustigung einiger Holländer, die ebenfalls auf dem Parkplatz am Strand von „Groote Keeten“ ihr Auto geparkt hatten, bekam die Mutter eine Art leichten Nervenzusammenbruch, dies allein nur deshalb, weil ihr Sohn erst in ein Pfütze getreten war und es anschließend wagte, in das Auto einzusteigen. Was dem Holländischen Vold sodann geboten wurde, war eine Wagner-Inszenierung erster Güte (und sowas erkennt auf der Seite der Holländer neidlos an, denn die Deutschen können so etwas eben!).

„Ann-Kathrin, mache bitte Deinem Bruder den Fuß sauber, aber dalli. Und Du (gemeint ist der Ehemann) fährst jetzt das Auto so, dass wir nicht die ganze Zeit im Nassen stehen.“ Der Gatte tut wie ihm aufgetragen und erntet reichlich Lob seiner Gattin. „Sag mal, hörst Du mir nicht zu? Ich sagte doch, Du sollst es so hinfahren, dass es nicht im Nassen steht.“ Leicht nervös geworden, macht der Ehemann einen zweiten Versuch. „Was soll denn das jetzt wieder sein?“ - Das sitzt! Auch und gerade im Angesicht der amüsierten Holländer.

Wütend lässt der Ehemann nun im nassen Grass die Reifen durchdrehen und stellt sich mitten auf die Zufahrtsstraße: Wahrlich ein trockener Ort. Da stört es nur wenig, dass einige Holländer eigentlich wegfahren wollten. „Ann-Kathrin, hast Du Deinem Bruder den Fuß sauber gemacht?“, wird nachgefragt. Ann-Kathrin hat. Behauptet sie jedenfalls. „Lüg mich nicht an“, ruft da die Mutter erregt. „Der Fuß ist ja immer noch nicht sauber. – Na, das ist ja toll. Seht nur, die ganzen Holländer schauen uns schon zu. Ja bin ich denn nur mit Idioten zusammen. Wegen Euch muss man sich ja in Holland schämen.“ So hatte ich das Ganze bisher noch gar nicht gesehen.

Der Junge, dessen Name mir leider verborgen geblieben war, der aber wahrscheinlich Sören hieß oder so ähnlich, steigt ein. „Paß bloß auf.“ begleitet die Mutter sein Tun. „Nachher ist wieder das ganze Auto versaut und wer darf das dann wieder sauber machen?“ Na, denke ich mir, wahrscheinlich Ann-Kathrin. Die hat aber gerade ganz anderen Ärger. „Ann-Kathrin, was ist mit Deinen Füßen? Du warst doch auch im Matsch.“ Nein, Mutti, war sie nicht und auch die kleinen Pfützen sind nicht wirklich dreckig, es hat ja nur kurz genieselt. Eher taugen sie zum säubern von Badeschuhen. „Nun sag doch auch mal was, Dieter!“ Also Dieter heißt der bedauernswerte Ehemann. Der macht, was ihm aufgetragen wurde und sagt zu Ann-Kathrin, dass auch sie ihre Füße sauber machen soll.

„Da hörst Du es, Kind. Papa hat auch gesagt, daß Du Deine Füße noch sauber machen musst.“ Mittlerweile warten schon drei holländische Gespanne auf ein Ende der Straßenblockade. „Ich weiß gar nicht, was es da zu gaffen gibt?“ bedankt es die Mutter ihnen und steigt ein ... mit ungereinigten Schuhen aber einem reinen Gewissen. So jemand, das erkt man, will stets nur das Beste für seine Familie. Dann fährt der Sharan von dannen mit einer vollauf glücklichen Familie einem noch viel glücklicherem Verlauf des weiteren Urlaubs entgegen und bekommt dafür acht Vorhänge von den Zuschauern.

Das war mein erster Eindruck von Deutschen in Den Helder und ich war froh, daß ich den Sharan nicht später auf „meinem“ Campingplatz in Callantsoog wiederfand.

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